Der Bundesverband Soziokultur e. V. fordert den Deutschen Bundestag dazu auf, die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vorzunehmen und dabei insbesondere sicherzustellen, dass sich die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen nicht negativ auf ihren Status der Gemeinnützigkeit auswirken darf.
Hier der Brief an einige Bundestagsabgeordnete im Wortlaut:
Sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,
finanzpolitische Sprecher*innen,
kulturpolitische Sprecher*innen der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien,
der Bundesverband Soziokultur e. V. ist der Dachverband von mehr als 600 soziokulturellen Zentren und Initiativen in Deutschland, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl als gemeinnützige Körperschaften organisiert sind. Wir sind von daher an einer zeitgemäßen, an den Anforderungen an zivilgesellschaftliche Organisationen orientierten Rechtsgrundlage interessiert.
In der Vergangenheit hat sich herausgestellt, dass das bestehende Gemeinnützigkeitsrecht nicht mehr den Erfordernissen des zivilgesellschaftlichen Engagements gerecht wird. Insbesondere die politische Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen stellt zunehmend ein Problem dar, den gemeinnützigen Status weiter beibehalten zu können und führte in diversen Fällen zu Aberkennungen dieses Status.
In den allermeisten Fällen sind Zuschüsse der öffentlichen Hand an die Gemeinnützigkeit einer Organisation gebunden. Ein Wegfall solcher Zuschüsse würde eine existenzielle Bedrohung für sehr viele soziokulturelle Zentren darstellen.
Zudem ist mit der Feststellung der Gemeinnützigkeit nicht nur die Befreiung von der Körperschaftssteuer, sondern insbesondere die Möglichkeit verbunden, Spendenbescheinigungen auszustellen. Die Annahme von Spenden und die damit verbundene Ausstellung einer entsprechenden steuerbegünstigenden Bescheinigung stellt für viele Körperschaften nicht nur eine nicht zu unterschätzende Finanzierungsquelle ihrer gemeinnützigen Arbeit dar, sodern ist gleichzeitig eine vielfältige – über die eigene Mitgliedschaft hinausgehende – Verbindung in die Zivilgesellschaft. Über die steuerbefreiende Wirkung hinaus besteht für Spenderinnen und Spender die Möglichkeit, sich für konkrete zivilgesellschaftliche Projekte auch finanziell zu engagieren.
Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit lässt vor diesem Hintergrund in der Öffentlichkeit das falsche Bild entstehen, die bisherige steuerbegünstigte Körperschaft habe etwas Verbotenes oder Unrechtes getan.
Zivilgesellschaftliche Organisationen – insbesondere die von uns vertretenen soziokulturellen Zentren und Initiativen – sind neben ihrer eigentlichen gemeinnützigen Zielsetzung hinaus Orte der Begegnung, der politischen Bildung, der Diskussion und des Diskurses. Sie sind Orte, an denen gemeinsam die gesellschaftspolitische Situation reflektiert und aus diesen Überlegungen heraus aktiv gestaltet wird. Diese politische Tätigkeit von der eigentlichen gemeinnützigen Zweckbestimmung der Organisationen trennen zu wollen, widerspricht unseres Erachtens den Zielen einer lebendigen demokratischen Gesellschaft. Von daher bedarf es unter diesem Gesichtspunkt dringend einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts.
Mit der Vorlage des Jahressteuergesetzes soll auch eine Präzisierung des Gemeinnützigkeitsrechts vorgenommen werden. Neben der Aufnahme weiterer steuerbegünstigter Zwecke in die Abgabenordnung sah die zentrale Empfehlung der Ausschüsse des Bundestages, darunter der Finanzausschuss, vor, die politische Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen ausdrücklich zu erlauben.
Der entsprechende Passus lautet:
„Elementare Bestandteile einer lebendigen Demokratie sind eine kritische Zivilgesellschaft und starke Organisationen, die politische Entscheidungspro-zesse aktiv begleiten, sich einmischen und Stellung beziehen. Die selbstlose Beteiligung an der öffentlichen Meinungsbildung sowie der politischen Wil-lensbildung sind Kennzeichen des zivilgesellschaftlichen Engagements und ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Gemeinwesens. Zivilgesellschaftliche Organisationen leisten aufgrund gewandelter gesellschaftlicher Strukturen einen immer größeren Beitrag zur gesellschaftlich-demokratischen Debatte. (…)“
(Bundesrat Drucksache 503/1/20, S. 154).
Der Bundesrat hat bei seiner Beratung am 9. Oktober 2020 diesen Passus leider abgelehnt.
Der Bundesverband Soziokultur e. V. fordert die Abgeordneten des Deutschen Bundestags inständig dazu auf, diesen Passus wieder in die Beratung und den Beschluss des Jahressteuergesetzes aufzunehmen, um damit die gesellschaftspolitischen Aktivitäten der vielen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen.